Emil Jannings ist eigentlich „der erste Mann“. Der erste Schauspieler, der einen Oscar gewann, und in dem heute gezeigten Film der erste, der die Gäste des noblen Hotels Atlantic begrüßt – er ist der Chefportier. Er hat alles im Blick, ist aufmerksam zu den Gästen, trägt stolz seine Uniform und repräsentiert „sein“ Haus. Bis dem schneidigen Hotelmanager auffällt, dass er die schweren Koffer doch nicht mehr so mühelos balanciert. Er schickt ihn als Toilettenmann in den Keller. Seine Welt zerfällt – auch zuhause. Der Moment, in dem ihm von der nächsten Generation seine Uniform von den Schultern gezerrt wird, ist grausam und herzzerreißend – und meisterhaft verändert Jannings Körperhaltung und Ausdruck in den verschiedenen Stadien seiner Demütigung. So explizit, dass Regisseur Murnau einen ganzen Film ohne einen einzigen Zwischentitel schaffen konnte.
Für die beiden, Murnau und Jannings, ebnete „Der letzte Mann“ den Weg zu Ruhm und letztlich nach Hollywood. Das gilt ebenso für den dritten Mann im Bunde, Kameramann Karl Freund. Er befreit hier erstmals den schweren Kasten vom Stativ: er erfindet die „entfesselte Kamera“. Freund platziert sie auf Wägen, hängt sich mit ihr an einen Kran, bindet sie sich um seinen mächtigen Bauch und kommt damit den Figuren und den Winkeln der Räume viel näher als bis dahin gekannt. Er bringt damit eine neue Dynamik in die Filme, „Der letzte Mann“ markiert den Beginn einer neuen filmischen Ästhetik. Ein großer Schritt zum Kino, wie wir es heute kennen.
Friedrich Wilhelm Murnau, D 1924, restaurierte Fassung 2003, 90 Minuten, keine Zwischentitel, sw, 35mm
Buch: Carl Mayer
Kamera: Karl Freund
Produktion: Union-Film der Universum-Film AG (Ufa)
Produzent: Erich Pommer
Schauspieler:innen: Emil Jannings, Maly Delschaft, Max W. Hiller, Hans Unterkircher, Hermann Vallentin u.a.
Ort: Arkadenhof des Thon-Dittmer-Palais
Kopie + Photos: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden
Live-Musik: Aljoscha-Zimmermann-Ensemble
Sabrina Zimmermann (Violine) • Mark Pogolski (Piano)