Das Transit Filmfest zeigt JANET PLANET:
Wie ein Rohmer als American Indie – In einem scheinbar endlosen Sommer wird die Nähe zwischen Janet und ihrer präpubertierenden Tochter neu verhandelt.
»You know what’s funny? Every moment of my life is hell.« Mit naiver Leichtigkeit versucht die elfjährige Lacy ihren eigenen Schwermut zu entschlüsseln. Abgesehen vom Klavierunterricht und der rituellen Pflege eines kleinen Schlafzimmerschreins ist Lacys Sommer im bernsteinfarbenen Licht des ländlichen Massachusetts ereignislos. Mit ihren Altersgenoss*innen im Ferienlager kann sie wenig anfangen und droht ihrer Mutter zynisch mit Selbstmord, wenn sie nicht gleich abgeholt wird. »This is a bad pattern«, antwortet Janet trocken. In Sachen schlechte Muster fällt der Apfel nicht weit vom Stamm: Janet wechselt im Akkord ihre fragwürdigen Lebenspartner, während Lacy interessiert zusieht. Doch in den kleinen Zwischenphasen, in denen die beiden allein sind, sich aneinander klammern und gegenseitig heilen, wird klar: In dieser ungewöhnlichen Mutter-Tochter-Beziehung sind Freude, Traurigkeit und Empathie ungekünstelt und die Zeit miteinander ist kostbar.
Die taktilen 16-mm-Aufnahmen erzeugen einen atmosphärischen Schleier der Nostalgie, der nur von Lacys Zynismus durchbrochen wird. Mit oft nur angedeuteten oder in Momenten der Stille eingebetteten Dialogen und feinem Gespür für das Nicht-Gesagte, fängt Baker eine Zeit des Übergangs ein – den schwer fassbaren Moment, in dem Kindheit und Erwachsenwerden kurz ineinander übergehen. JANET PLANET lädt uns ein, die sinnstiftende Natur der leisen, vermeintlich unspektakulären Momente des Alltags zu erkennen.
Annie Baker | USA 2023 | 110’
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